Kategorie: Aufsätze
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„Gefährdete Menschheit – Ursache und Verhütung der Degeneration“ von Albert von Haller (1903 – 2000) heißt das Buch, das ich Ihnen heute vorstellen will. Es erschien erstmals 1956 und wird heute in der 10. Auflage verkauft. Albert von Haller befasst sich in diesem Buch mit dem Lebenswerk des amerikanischen Zahnarztes Weston Price, der von 1870 bis 1948 gelebt hat. Dieser praktizierte zunächst in Ohio und bohrte wie alle anderen Zahnärzte auch, kariöse Zähne, baute Brücken usw. bis er sich eines Tages fragte, warum ausgerechnet der Mensch so von dieser Krankheit geplagt wurde. Gab es nicht auch Menschen ohne Karies? Auch in der natürlichen Tierwelt ist Karies praktisch unbekannt. Zähne zählen zu den härtesten Materialien, die die Biologie hervor gebracht hat. Sie überdauern Jahrtausende, wenn auch die härtesten Knochen sich bereits zersetzt haben. Normalerweise.

Price stellte in seiner Praxis immer wieder Zusammenhänge von Karies mit der Art der Ernährung fest. Z.B. gab es in der Zeit der wirtschaftlichen Depression einen viereinhalb jährigen Knaben, der nur mit Weißbrot und Magermilch ernährt wurde. Der abgezehrte Junge hatte neben der ausgedehnten Karies, Krämpfe, Bronchitis und einen gebrochenen Fuß, der nicht mehr heilte. Durch eine Änderung der Ernährung auf frischen Vollkornbrei, Vollmilch und Butter konnte eine vollständige Heilung erreicht werden, die Karies kam zum Stillstand. Er betrachtete Karies inzwischen als degenerative Erscheinung aufgrund einer falschen Ernährung und kam schließlich auf die Idee die absolute Gesundheit zu suchen. Nur so, glaubte er, könne man die Ernährung finden, die eine solche Gesundheit produziert.

Mit seiner treuen Frau machte er sich also auf in die Welt um den kerngesunden Menschen zu finden. Und er wurde fündig bei den Eskimos in Alaska, bei den Indianern in Nordamerika, in der Südsee, auf Neuseeland, in Australien, Asien, den Hebriden, der Schweiz und auch in Afrika und Südamerika. Wissenschaftlich einwandfrei dokumentiert und fotografiert er alles, führt Protokolle, nimmt Proben und führt so den Beweis. Alle Kerngesunden hatten eines gemeinsam. Sie ernährten sich traditionell wie seit Jahrtausenden ohne die industriell verarbeiteten Lebensmittel der „kultivierten“ Welt. Sie strotzten vor Energie, Freundlichkeit und strahlenden Zähnen, die regelmäßig angeordnet, sich schön rund in einem platzgebenden Mund reihten. Alle Sinne waren scharf. Kaum kamen aber die Menschen in Berührung mit der Nahrung des kultivierten Menschen (hauptsächlich Konserven, weißes Mehl und Zucker) ging es mit der Gesundheit dieser Menschen rapide bergab. Und immer wieder staunt er, wie schnell sich Menschen die Ernährung mit Industrieschrott angewöhnen und die traditionelle Ernährung über den Haufen schmeißen. Die Kennzeichen sind aus zahnärztlicher Sicht verbildete, zu enge Zahnbögen mit durcheinander stehenden und kariösen Zähnen. Der Unterschied ist durchweg krass und eindeutig auf die unterschiedliche Ernährung zurück zu führen.

Was muss man also essen um kerngesund zu sein? Vorweg: Nix Genaues weiß man nicht (auch heute noch nicht), aber es sind eindeutige Tendenzen erkennbar:

1. Es kommt offensichtlich nicht so sehr darauf an, ob tierische oder pflanzliche Nahrung, wobei tierische Nahrung, insbesondere Fisch, immer bevorzugt wird, wenn sie vorhanden ist.

2. Es müssen alle Nährstoffe enthalten sein, die der Mensch braucht. Wenn das bei einer Menschengruppe nicht der Fall war, ist sie eben ausgestorben. Wir kennen heute 47 Stoffe, die dem Körper täglich zugeführt werden müssen. Sie gehen bis zum Milligrammbereich. Wir wissen heute nicht, wie viele Spurenelemente es noch gibt, die für das menschliche Leben notwendig sind. Nur durch Originalnahrung haben wir nach derzeitigem Wissensstand die Chance, alle erforderlichen Stoffe zu erhalten.

3. Es sind immer nur wenige Nahrungsmittel, die erfolgreich eingesetzt werden. Die Vielfalt unserer Supermärkte gibt es nicht. Die Kenntnisse über gesunde Nahrungsmittel werden gehütet wie ein Schatz und werden von Generation zu Generation weiter gegeben.

4. Es wird immer das ganze Nahrungsmittel gegessen. Es werden möglichst keine Stoffe entzogen oder zugesetzt. Die Verarbeitung beschränkt sich auf das unbedingt notwendige Maß. Alle Nahrungsmittel enthalten deshalb ein Vielfaches der Nährstoffe (= Vitamine, Mineralien), die von unserer deutschen Gesellschaft für Ernährung für notwendig erachtet werden.

5. Es sind immer die gleichen Lebensmittel. Die Körper dieser Völker konnten sich also über die Jahrhunderte an diese Nahrung anpassen, das heißt, erforderliche Enzyme vermehrt bilden, unnötige Enzyme weg lassen. Auch die (veränderliche) Bakterienwelt unseres Darms spielt eine gewichtige Rolle. Wie wir heute wissen, sind Gene nicht in Stein gemeißelt. Der Körper kann sie je nach Erforderlichkeit an- und abschalten. Somit ist eine weit reichende Anpassung ohne Genveränderungen möglich.

Hier ein paar charakteristische afrikanische Völker aus den Aufzeichnungen von Price:

Volk

Ernährung

Karies

Massai, Viehzüchter

Milch, Blut, Fleisch, als Ergänzung Pflanzen und Früchte

0,4%

Kikuyu, Kiambu, Wakamba, Ackerbauern

Süßkartoffeln, Mais, Bohnen, Bananen, Hirse, Kaffernkorn

6,0%

Maragoli, Ackerbauern und Fischer

Fisch, Gemüse, Süßkartoffeln

0,2%

Archoli, Viehzüchter

Milch, Blut, Fleisch, pflanzliche Zukost

0,0%

Wer jetzt meint, die Ackerbauern wären benachteiligt, möge sich die von Price ermittelten 20 bis 40% Karies zu Gemüte führen, die ein „zivilisierter“ Mensch erdulden muss.

Das Buch ist durch die vielen Beispiele spannend und informativ zugleich. Es zeigt uns, dass auch der Gesündeste von uns noch nicht die vollkommene Gesundheit kennt, sondern sich im Laufe der Zeit mit einer tieferen Stufe der Gesundheit arrangiert hat. Denn niemand entkommt vollständig der industriellen Ernährung und den diversen Chemikalien, die wir inzwischen auf die Welt gesetzt haben. Die Untersuchungen, die Price machte, sind heute nicht mehr wiederholbar. Selbst in das entlegenste Nest hat sich die Industrienahrung durchgefressen und Völker mit einer allein ursprünglichen Ernährung sind nicht mehr verfügbar. Es würde sich wohl lohnen, die Daten von Price neu auszuwerten.

Natürlich hat Weston Price, den viele den „Charles Darwin der Ernährung“ nennen, selbst Einiges geschrieben, darunter auch sein dem rezensierten Buch zugrunde liegendes Werk „Nutrition and Physical Degeneration - A Comparison of Primitive and Modern Diets and Their Effects“. Es ist kostenlos im Internet erhältlich unter: http://journeytoforever.org/farm_library/price/pricetoc.html

Price hat auch ein "Medikament" entwickelt, mit dem er die Karies nicht nur stoppen sondern auch eine Regeneration des Zahnes bewirken konnte: Man nehme vitaminreiche Butter (heute würde man wohl selbst gemachte Butter aus der Rohmilch der Bergrinder verwenden), schmelze sie, behalte die Temperatur über 24 Std. bei 22 Grad und zentrifugiere sie. Man erhält ein Öl, das bei Zimmertemperatur flüssig bleibt. Zu diesem Öl gebe man die gleiche Menge Lebertran (das was man vor 100 Jahren Lebertran nannte gibt es leider nicht mehr). Fertig. Bitte erwarten Sie nicht zu viel von dieser Mixtur, weil auch der Rest der Ernährung stimmen muss. Aber sicher ist, dass darin fast alle notwendigen Vitamine, Mineralien und Fette enthalten sind.

Es sieht so aus, als könnte man die Karies als Maßstab für gute Gesundheit verwenden. Demzufolge gratuliere ich allen, deren Kinder keine Karies haben und keine Zahnregulierung brauchen, denn sie haben etwas richtig gemacht.